An Rhein und Ruhr. Gewerkschaft Verdi wollte die Sonntagsöffnung verhindern, doch Richter in Münster sehen in Bibliotheken Kulturorte – so wie Museen und Theater.

Öffentliche Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen dürfen auch an Sonn- und Feiertagen öffnen. Eine entsprechende Verordnung des Landes ist rechtmäßig, hat das Oberverwaltungsgericht für das Land NRW am Donnerstag in Münster entschieden und damit eine Klage der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi abgewiesen. Das OVG ließ die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu (Az.: 4 D 94/20.NE).

Die Gewerkschaft wollte zum Schutz der Angestellten die Öffnung an Sonn- und Feiertagen unterbinden lassen. Bei dem Verbot von verkaufsoffenen Sonntagen war Verdi in den vergangenen Jahren vor dem OVG oft erfolgreich. Hier aber liege der Fall nach Ansicht des 4. Senats anders. Bei den Bibliotheken sei das Land zurecht davon ausgegangen, dass die Menschen diese nichtkommerziellen Orte der Kultur nutzen, vergleichbar mit Theatern und Museen.

Damit sei der Einsatz von Arbeitnehmern in öffentlichen Bibliotheken an diesen Tagen erforderlich. Für diese Fälle sieht das Arbeitszeitgesetz Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen vor, wenn damit die besonderen Bedürfnisse der Bevölkerung bedient werden.

Da scheint durchaus etwas dran zu sein: In der Stadtbücherei Moers kann schon jetzt sonntags eng werden. „Gerade rund ums Abitur hatten wir sonntags extrem viele Besucher“, sagt Martina Berzenbach von der modernen Stadtbibliothek. Von 10.30 bis 22 Uhr ist „open library“ wie es schön neudeutsch heißt: Seit 2020 ist sie 69 Stunden in der Woche geöffnet für registrierte Nutzer – vor allem Abiturienten nutzten den Lernort jüngst. 13 Videokameras haben ein Auge auf das Treiben zwischen den Regalen.

Abends und am Wochenende sind die Leseratten allein im Haus

Was bislang fehlt, ist das Fachpersonal: Beratung und Hilfe gibt es an diesen Tagen nicht. Gilt übrigens auch an Werktagen: von 18.30 bis 22 Uhr heißt es: Leseratten allein zu Haus. Das gilt meist für die wenigen Bibliotheken, die sonntags ihre Pforten öffnen. Düsseldorfs große Zentralbibliothek, brandneu, bietet den Service beispielsweise für registrierte Nutzer. Nach Auskunft des Bibliotheksverbandes NRWmit bemerkenswerter Resonanz.

Auch in Dinslaken ist die Nachfrage groß: „Wir bieten die Wochenendöffnung von Oktober bis März an“, so Leiterin Constanze Palotz. Jeweils von 13 bis 18 Uhr ist dann geöffnet, ein Wachdienst vor Ort. Samstags von 10 bis 13 Uhr gibt es sogar Fachberatung. „Genutzt wird das im Winter vor allem von Familien, die hier Spiele ausprobieren können oder ihren Kindern vorlesen“, so Palotz. „Auch viele Abiturienten haben das Angebot genutzt.“

Ebenfalls sonntags geöffnet haben zwei Stadtteilbüchereien in Duisburg. „Die zentrale Bibliothek können wir leider nicht öffnen“, bedauert die dortige Leiterin Marita Dubke. Das Medienangebot wäre hier um ein Vielfaches größer, doch im Haus mit der Volkshochschule wäre der Sicherungsaufwand zu hoch. Also bleibt es – vorerst – bei zwei Filialen.

Ist sonntags „open library“ für registrierte Nutzer: Die Bibliothek in Moers ist schon seit Anfang 2020 täglich außer montags bis 22 Uhr geöffnet.
Ist sonntags „open library“ für registrierte Nutzer: Die Bibliothek in Moers ist schon seit Anfang 2020 täglich außer montags bis 22 Uhr geöffnet. © Funke Foto-Services | Rüdiger Bechhaus

Bislang, so auch die Bilanz des Bibliothekenverbandes NRW, wird die seit 2019 immerhin existierende Sonntagsöffnung von (städtischen) Bibliotheken eher vorsichtig genutzt. Susanne Larisch, Pressereferentin des Verbandes, geht davon aus, dass viele Städte zunächst einmal den Ausgang des gestrigen Verfahrens abwarten wollten, bevor sie entscheiden: Jetzt also wäre der Weg frei.

Bislang gab es qualifizierte Öffnungen am Sonntag kaum - etwa 15 Städte in NRW sind dabei. Nutzen kann die Bibliotheken derjenige, der bereits einen Leseausweis hat und sich ohne Beratung zurechtfindet zwischen den Regalwänden. Rückgabe und Entleihe sind meist automatisiert. In Köln immerhin arbeitet man mit so genannten „Orga-Helfer*innen“, die wie studentische Hilfskräfte mehr können als nur aufpassen.

Sonntagsöffnung? Hat bei Katholischen Büchereien Tradition

Eher ein müdes Lächeln entlockt die Debatte den Katholischen Öffentlichen Büchereien: Sie arbeiten traditionell mit Ehrenamtlichen, rund 1000 im Bistum Essen, mehr als 4400 im Bistum Münster, und öffnen ebenso traditionell meist, wenn die Sonntagsmesse endet an 107 Standorten im Bistum Essen und 330 im Bistum Münster.

Wobei man sich nicht vertun sollte: „Unsere Bibliotheken arbeiten standortspezifisch und gehen bei der Ausrichtung ihres Bestandes auf die Bedürfnisse ein. Dank Unterstützung des Landes und des Bistums können unsere Bibliotheken ihren Bildungsauftrag umsetzen und wichtige Akzente vor allem in der Leseförderung setzen“, so Vera Steinkamp, Leiterin des Medienforums des Bistums Essen. Anders als in manch anderen Bereichen der Kirche kann sie, nicht ohne Stolz, von stabilen Zahlen berichten. Sowohl was Nutzer angeht wie auch beim ehrenamtlichen Engagement.

Fachlich qualifiziertes Personal am Sonntag? Eher nicht!

Der Trumpf der Öffentlichen Bibliotheken wäre also vor allem ihr ausgebildetes Fachpersonal. Doch eine mit Fachleuten bestückte Sonntagsöffnung – Urteil hin oder her – würde in vielen Kommunen zu Problemen führen. Schon jetzt gelinge es ja kaum, alle Stellen zu besetzen, seufzt Marita Dubke von der Zentralstelle der Stadtbibliothek Duisburg. Falls sonntags Beratung und Betreuung angeboten würde, ginge diese dann zu Lasten des Angebots an Werktagen.

Ähnlich sieht es die finanziell durchaus besser aufgestellte Landeshauptstadt: „Seitens der Stadtbüchereien Düsseldorf ist keine Sonntagsöffnung - unabhängig vom zu erwartenden Urteil des OVG Münster - mit eigenem Fachpersonal geplant“, heißt es von Seiten der Stadt. Derzeit werd geprüft, ob eine Ausweitung der Öffnungszeiten von Stadtteilbüchereien mit Hilfe eines Wach- und Schließdienstes in Betracht komme. „Daneben werden auch Alternativen geprüft, den Kundinnen und Kunden der Stadtteilbüchereien durch technische Lösungen einen Zugang zu den Publikumsflächen an Wochenenden zu ermöglichen.“, so die Stadt. Also auch hier eher Notlösungen statt beherzter Bildungsoffensive.