Essen. Rekordinflation ist bei Lebensmitteln vorbei, sagt Rewe-Chef Souque, aktuell sinken die Preise sogar. Wie sich das Einkaufsverhalten ändert.

Die Menschen in Deutschland sparen beim täglichen Einkauf, wo es geht, greifen deutlich seltener zu Markenprodukten - das beobachtet der Lebensmittelriese Rewe in seinen Supermärkten und den Penny-Discountern. Der Grund ist schnell erklärt: „Die Dauerkrise ist der normale Zustand geworden“, sagte Rewe-Chef Lionel Souque bei der Vorstellung der Jahresbilanz. Dass sich die Konjunktur ausgerechnet im Heimatmarkt Deutschland europaweit am schlechtesten entwickle, spüre Rewe.

Weil viele Menschen in Deutschland im vergangenen Jahr durch die hohe Inflation weniger Geld zum Ausgeben hatten, mieden sie die teuren Markenartikel, kauften diese „wenn, dann vor allem zu Sonderangeboten“, erläutert Souque. Auch bei den Rewe-Eigenmarken griffen die Kundinnen und Kunden bevorzugt zu den günstigsten, bei Rewe sind das in der Regel die „Ja“-Produkte. Der Anteil der Eigenmarken am Umsatz sei stark gestiegen - bei Rewe auf inzwischen knapp 29 Prozent, bei Penny auf 48 Prozent, konkretisierte Einkaufschef Hans-Jürgen Moog auf Nachfrage. Tendenz weiter steigend, betonte Vorstandschef Souque.

Rewe-Chef: In Osteuropa haben wir bereits eine Deflation

Bei den Eigenmarken seien die Preise zuletzt schneller gesunken als bei den Markenartikeln, erklärte Souque. Die Zeiten hoher Inflation seien im Lebensmittelhandel ohnehin vorbei. In Deutschland ist die überdurchschnittliche Teuerungsrate für Lebensmittel von mehr als 20 Prozent vor einem Jahr auf inzwischen 2,1 Prozent gesunken. Im März seien sie bei Rewe sogar gesunken: „In den Rewe-Märkten um 0,1 Prozent, bei Penny sogar um 2,1 Prozent“, verrät Souque. In Osteuropa, wo Rewe etwa mit seiner Kette „Billa“ stark vertreten ist, gebe es bereits eine echte Deflation. Über viele Preissenkungen berichtete jüngst auch Felix Rottmann, der Chef von Aldi Nord, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Rewe-Chef Lionel Souque rechnet in diesem Jahr mit einer Inflationsrate von nur noch „ein bis zwei Prozent“ in Deutschland.
Rewe-Chef Lionel Souque rechnet in diesem Jahr mit einer Inflationsrate von nur noch „ein bis zwei Prozent“ in Deutschland. © imago images / sepp spiegl | Sepp Spiegl

Die Preisentwicklung sei dabei sehr uneinheitlich. Rapsöl etwa sei heute sogar günstiger als vor dem Einmarsch der Russen in die Ukraine. Der verteuerte Speiseöl enorm, weil die Ukraine der größte Sonnenblumenölproduzent ist. Im Vergleich zum Vorjahr koste der Liter Rapsöl heute mit 1,39 Euro nur noch gut die Hälfte, nennt Souque ein Beispiel. Andere Produkte würden nach wie vor kontinuierlich teurer, etwa Olivenöl und Kakao. Auch Obst sei aktuell teurer, Gemüse dafür günstiger.

Die Jahresbilanz der Rewe-Gruppe mit ihren weltweit 390.000 Beschäftigten fällt insgesamt so schlecht nicht aus: Der Umsatz stieg 2023 um neun Prozent erstmals über 90 Milliarden Euro (92,3 Mrd.), der Nettogewinn deutlich auf 736 Millionen Euro. Dazu trug aber vor allem das Tourismusgeschäft bei - die Rewe-Tochter Dertour erzielte erstmals mehr als 100 Millionen Euro Gewinn. Das Umsatzplus der Rewe- und Penny-Märkte von 7,8 Prozent war dagegen weitgehend inflationsgetrieben.

Rewe-Finanzchef: Wir sind keine Profiteure der Inflation

„Wir sind keine Profiteure der Inflation“, betonte Rewe-Finanzchef Telerik Schischmanow mit Verweis auf die ebenfalls stark gestiegenen Einkaufspreise. Das zeige auch die vergleichsweise schmale Gewinnmarge des Rewe-Konzerns von 0,9 Prozent, da war der Kölner Konzern schon weit mehr gewohnt. Souque erklärte erneut, man habe „in die Preise investiert“, sprich nicht alle Kostensteigerungen voll weitergegeben.

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Und: „Wir haben mit großen internationalen Lieferanten zum Teil sehr hart verhandelt – da ging es bei einigen schon im Kern darum, nicht komplett das Augenmaß dafür zu verlieren, was sich unsere gemeinsamen Kundinnen und Kunden leisten können und wollen.“ Die Streitigkeiten etwa mit den Lebensmittelriesen Nestlé oder Mars seien inzwischen aber ausgestanden, erklärte Einkaufschef Moog. Viele dieser Markenprodukte hatte Rewe eine Zeit lang nicht mehr in den Regalen.

Tarifstreit mit Verdi nervt Rewe-Chef Souque

Zum anhaltenden Tarifkonflikt des Einzelhandels mit der Gewerkschaft Verdi äußerte sich der Rewe-Chef leicht genervt und betonte, wie andere Mitbewerber auch habe Rewe die Löhne bereits freiwillig in zwei Schritten um insgesamt zehn Prozent angehoben, „damit sind wir schon da, wo die meisten unserer Beschäftigten hin wollten“, erklärt Souque. In den Supermärkten habe es kaum Streiks gegeben, weil die Beschäftigten zufrieden seien.

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Gemerkt hat Rewe wie andere auch allerdings die Streiks im Großhandel, für den parallel die Tarifverhandlungen laufen, inzwischen seit fast einem Jahr. „Das ist Wahnsinn“, meinte Rewe-Personalchefin Daniela Büchel dazu. Nach inzwischen „120 Verhandlungen im Einzel- und Großhandel hoffen wir sehr, dass es nun schnell zu einer Einigung kommt“, betonte sie. Die von vielen freiwillig gezahlten zehn Prozent könnten jetzt schon nicht alle mitgehen. „Für Textilhändler ist das fast unmöglich“, ergänzt Souque.

Verdi fordert 2,50 Euro mehr pro Stunde

Verdi fordert mindestens 2,50 Euro mehr pro Stunde sowie für die unteren Beschäftigtengruppen einen Mindeststundenlohn von 13,50. Dem Handelsverband Deutschlands (HDE) zufolge entspräche das insgesamt Lohnerhöhungen von 15 Prozent. Dagegen erklärte Verdi-Bundesvorstand Silke Zimmer mehrfach, das bisherige Angebot der Arbeitgeber gleiche nicht einmal die Inflation aus. Dabei hat sie vor allem noch das letzte Jahr im Blick, schließlich war der Tarifvertrag bereits im Mai 2023 ausgelaufen - zum Höhepunkt der Rekordinflation.

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Auf die Frage, ob Rewe weiter die verbliebenen Lebensmittelabteilungen in den Kaufhäusern von Galeria Karstadt Kaufhof beliefere, sagte Finanzchef Schischmanow, man bleibe Partner von Galeria, ohne aktuell zu wissen, wie viele Abteilungen nach der neuerlichen Insolvenz noch übrig bleiben. Man wolle den verbleibenden „eine Chance geben“, sagte er. „Das ist für uns nur ein kleines Geschäft“, betont Souque. Galeria will am Mittwoch einen neuen Eigentümer präsentieren, alles läuft auf den US-Investor NRDC Equity Partners hinaus, im Verbund mit Bernd Beetz, dem Fußball-Präsidenten von Waldhof Mannheim und früheren Dior-Chef. Mit den Verhandlungen vertraute Kreise bestätigten unserer Redaktion den bevorstehenden Deal.